Juryurteil „Kölner Architekturpreis 2010“:
Architektur, bei der man stutzt. Das Haus Rollinger ist ein Prototyp für diese subtile Überraschung. Gelegen in einer ruhigen Wohnstraße in grüner Nachbarschaft mit zahlreichen Bausparkassen-Häuschen der Nachkriegszeit, formuliert die Architektur von Johannes Götz und Guido Lohmann eine widerborstige Anpassung. Umriss, Bestandteile und Materialien des Gebäudes fügen sich scheinbar ideal in die steile Satteldach-Idylle deutscher Kleinbürgerhütten. Der Geist des Hauses für die Sammlerfamilie Rollinger verspricht aber in Details und der Präzision der Ausführung eine völlig andere Ambition. Der Archetyp des deutschen Einfamilienhauses mit Garten erfährt eine asketische Umsetzung. Befreit von all den Laternchen, Windfang und Geranienkästen und optisch irritiert durch die streng mittige Setzung von drei unterschiedlichen Fensterformaten, wirkt das Haus zur Straße wie eine subversive Architekturskulptur. Zum Garten wird die Affinität des Bewohners zur Bildenden Kunst durch ein Fenster unterstrichen, das den Ausblick wie ein Gemälde rahmt. Der Innenausbau bricht schließlich vollständig mit der Atmosphäre deutscher Gemütlichkeit und Gelsenkirchner Barock, die man unterm Satteldach vermutet, und ist gestaltet wie die fließenden Räume moderner Bungalowarchitektur. Ein geschützter Innenhof zur Straße hin, der leider eine wenig das strenge Erscheinungsbild von dort beeinträchtigt, sowie ein Badezimmer unter dem Steilgiebel zeugen zudem davon, dass auch aus dem gewöhnlichsten Rahmen beeindruckende Räumlichkeiten befreit werden können.
Text: Till Briegleb